Andreas Ellinger

RESEARCH, ANALYSES AND REPORTING

Die Millionengewinne einer städtischen Klinik

Veröffentlicht in: Berichte, Wirtschaft

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Krankenhaus Forchheim: 225 Betten und seit 36 Jahren ein Kassen-Plus / Zum Erfolgsrezept gehören übertarifliche Leistungen

 

Dem Klinikum Forchheim mit seinen 225 Betten würde die Schließung drohen, wenn ein Akutkrankenhaus nur mit „500 Betten plus X“ wirtschaftlich zu betreiben wäre. Jene Mindestzahl hatte eine Gutachterin des Deutschen Krankenhaus-Instituts genannt, die im Auftrag der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH arbeitet. Doch die Forchheimer schreiben seit 36 Jahren Gewinne: 1,5 bis 2,7 Millionen Euro pro Jahr.

Forchheim/Horb. Forchheim liegt im Fränkischen, rund 35 Kilometer nördlich von Nürnberg. Das Klinikum der Grund- und Regelversorgung, das von einer städtischen Stiftung betrieben wird, ist von drei Krankenhäusern der Maximalversorgung umgeben. Die Uniklinik Erlangen sei 14 Kilometer entfernt, das Bamberger Krankenhaus 24 Kilometer und eines in Bayreuth 58 Kilometer weit weg, erzählt Geschäftsführer Reinhard Hautmann. Er ist seit rund 38 Jahren im Amt.

Als er die Leitung der städtischen Klinik übernahm, schrieb sie Verluste: eine Million Mark im Jahr. Hautmann hat dafür gesorgt, dass die Kosten- und Einnahmenentwicklung transparent ist, und damit schwarze Zahlen eingeführt. Jeder Auftrag, jeder Vertrag, alles geht über seinen Schreibtisch.

Während der KLF-Aufsichtsrat in den vergangenen Jahre nicht einmal pro Quartal einen Lagebericht erhalten haben soll, bekommt in Forchheim sogar jede Krankenhaus-Abteilung einen monatlichen Geschäftsbericht, „damit alle wissen, wo sie stehen“. Und Reinhard Hautmann studiert jeden Freitag ab 11 Uhr die Zahlen der zurückliegenden Woche. Wenn da mal 100000 Euro fehlen sollten, könne er sofort reagieren, erklärt er. Wenn er hingegen erst nach einem halben Jahr merken würde, dass eine Million fehle, könne er das Geld nicht mehr hereinholen. Der Kosten- und Einnahmen-Überblick sei „das A und O“, betont der Geschäftsführer. Deshalb habe er das Fall-Management (das in der KLF anno 2012 begonnen wurde) bereits 1974 eingeführt – lange, bevor es Fallpauschalen (DRGs) gab. Zum Vergleich: Im Kreis Freudenstadt hat Landrat Dr. Klaus Michael Rückert erst in den vergangenen Monaten erkannt, was die Einführung der Fallpauschalen für die Kreiskliniken bedeutet hat, weshalb er jetzt das Horber Hospital schließen will – obwohl die systembedingten Verluste durch die Fallpauschalen seit dem Jahr 2005 absehbar gewesen sind, wie der neue KLF-Geschäftsführer Peter Mast auf eine Bürgerfrage in Freudenstadt hin erklärt hat.

Aber warum überhaupt Verluste? Reinhard Hautmann in Forchheim hat sich gefreut, als das Fallpauschalen-System griff. Seither erhalte seine Klinik beispielsweise mehr Geld pro Blinddarm-Operation als vorher – sie arbeitet demnach effizienter als es das DRG-Konzept vorsieht beziehungsweise verlangt. „Es ist eigentlich ganz einfach“, sagt er: „Wenn ich 100 Euro einnehme, dann darf ich eben höchstens 99 Euro ausgeben. Das wissen bei uns auch die Chefärzte.“

In der Folge gibt es nicht nur schwarze Zahlen, sondern auch übertarifliche Leistungen. Hautmann nennt nur einzelne Beispiele seines Katalogs: Für den Betriebsausflug erhält jeder Mitarbeiter 50 Euro, fürs jährliche Volksfest in Forchheim 28 Euro. Für die Weihnachtsfeier gibt es pro Station, gestaffelt nach der Mitarbeiterzahl, plus-minus 1000 Euro. Für Mitarbeiter-Parkplätze verlangt er nur deshalb zehn Euro im Monat, weil kostenlose Stellplätze vom Finanzamt als geldwerter Vorteil gewertet würden. Und die mehrtägige Abschlussfahrt für die Absolventen der klinikeigenen Krankenpflegeschule nach Hamburg (mit Musical-Besuch) bezahlt ebenfalls der Arbeitgeber seinen künftigen Pflegerinnen und Pflegern.

Personalmangel in der Pflege kennt der Geschäftsführer nicht, im ärztlichen Bereich habe er ebenfalls „überhaupt keine Probleme“. Hautmann: „Wir sind Lehrkrankenhaus des Uniklinikums Erlangen.“ Von dort kämen Medizinstudenten zum Praktischen Jahr nach Forchheim. Vielerorts bekämen sie kein Geld – seine Klinik bezahle 400 Euro im Monat. Anschließend blieben genügend von ihnen als Ärzte. „Es ist ein Geben und Nehmen“, erläutert er. Und im Unterschied zur KLF haben die Forchheimer keine Service-GmbH ausgelagert, um Gehaltstarife auszuhebeln… Alle Mitarbeiter werden nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst entlohnt.

1996 hat Hautmann das städtische Krankenhaus in eine GmbH überführt, jene aber vier Jahre später wieder aufgelöst. Damals sei er ausgelacht worden, erzählt der Geschäftsführer, der eine Stiftung für den Klinik-Betrieb vorgezogen hat. Mit jener habe er höhere Zuschüsse vom Land Bayern für einen Krankenhaus-Neubau erhalten und dadurch – im Unterschied zur GmbH – 18 Millionen Euro gespart. Von der 76-Millionen-Euro-Investition waren aber trotzdem 19 Millionen nicht förderfähig, wie Reinhard Hautmann berichtet – dazu zählte unter anderem eine Kapelle, die ebenfalls erstellt wurde. Seit zwei bis drei Jahren seien die Neubau-Schulden abbezahlt.

Als der Geschäftsführer in den 70er-Jahren anfing, gab es an dem Klinikum drei Abteilungen: Innere, Chirurgie und Gynäkologie. Hautmann hat eine Radiologie und die Anästhesie aufgebaut und einige Belegabteilungen gegründet, um „hochwertige Fallpauschalen“ verdienen zu können. Das sei insbesondere im Bereich der Orthopädie, der Gefäßchirurgie und der Neurochirurgie möglich. Auch eine Intensivstation hat die Klinik. Insgesamt kommt sie auf 225 Betten.

Was der Geschäftsführer davon hält, dass manche Unternehmensberater behaupten, ein Krankenhaus müsse „500 Betten plus X“ haben, um wirtschaftlich arbeiten zu können? „Das ist großer Unsinn, den die da erzählen“, sagt Reinhard Hautmann. „Wir haben bewiesen, dass es anders geht.“

Reiner Klinger, der Vorsitzende der Bürgerinitiative „Pro Krankenhaus Horb“, hatte bei der Bürgerinformations-Veranstaltung des Landkreises in Freudenstadt aus einer Statistik zitiert, laut der zumindest vor ein paar Jahren rund 50 Prozent der kommunalen Krankenhäuser keine Verluste geschrieben haben. Klinger: „Was machen diese Krankenhäuser besser?“

Darauf wich Margit Schmaus, eine Gutachterin des Deutschen Krankenhaus-Instituts (die wie KLF-Chef Peter Mast früher im Management des Rhön-Konzerns gearbeitet hat), aus. Sie antwortete, dass Akutkliniken nicht mit Fachkliniken vergleichbar seien. Klinger erwiderte, dass er das nicht getan habe: Kommunale Krankenhäuser seien meist für die Grund- und Regelversorgung zuständig, also keine Fachkliniken. Die DKI-Gutachterin dozierte daraufhin, dass Privatkliniken und kommunale Kliniken nicht vergleichbar seien.

Auf Basis des DKI-Gutachtens empfiehlt der Landrat mit der Mehrheit seines Aufsichtsrats das Horber Hospital zu schließen.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Mittwoch

21

November 2012

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb